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Don’t mess with Texas (Austin und Umgebung)

Deutscher Einfluss − Am nächsten Tag wird die Landschaft zum Glück wieder abwechslungsreicher. Kurz nach Junction verlassen wir die I-10 und fahren durchs texanische Hill Country nach Austin. Das «Land der Hügel» wurde früh durch deutsche Einwanderer besiedelt. Auf sie gehen Ortschaften mit Namen wie Fredericksburg und New Braunfels zurück. Im Herbst wird in einigen Städten das Oktoberfest gefeiert. Mit echtem Bier und Sauerkraut. Luckenbach, Texas, welches in einem Country Song gewürdigt wird, befindet sich ebenfalls im Hill Country.

Wegen einer unlogischen Strassenbeschilderung geraten wir auf Abwege und gelangen nach Blanco. Nach dem kleinen Umweg erreichen wir Austin am Nachmittag. Im AAA Büro holen wir neue Strassenkarten. Damit sollten wir auf der Weiterfahrt durch den Süden Amerikas vor weiteren Irrwegen gefeit sein.

 

Überragend − Die Navigation in Austin ist trotz Karte nicht ganz einfach. Wir kämpfen mit den Einbahnstrassen, dem dichtem Verkehr und zu wenigen Parkplätzen. Unser erstes Ziel, das State Capitol, finden wir aber ohne grössere Probleme. Austin ist die Hauptstadt von Texas und somit auch Standort des texanischen Regierungsgebäudes. Das Capitol aus rotem Granitstein wurde 1888 nach siebenjähriger Bauzeit fertig gestellt. Damals galt es als das 7. grösste Gebäude der Welt. Heute hat es immerhin noch den Titel des höchsten Parlamentsgebäude der USA inne. Es überragt das Capitol in Washington D.C. nämlich um etwas mehr als 4 m.

Im Park vor dem Capitol entdecken wir in den Bäumen ein paar Eichhörnchen. Vorwitzig strecken sie ihre Köpfe mit den Knopfaugen hinter den Ästen hervor und jagen sich gegenseitig in horrendem Tempo den Stamm rauf und runter.

 

Don‘t mess with Texas − Wir sind erstaunt, wie locker man als Tourist in das Parlamentsgebäude rein- und rausspazieren kann. Es gibt keine Metalldetektoren oder andere Sicherheitsmassnahmen. Völlig frei können wir durch das ganze Gebäude spazieren, ungeniert in die Tagungsräume der Repräsentanten (House chamber) und des Senats (Senate chamber) schauen und beliebig viele Fotos machen. Die Pulte und Stühle in beiden Kammern sind aus dunklem Holz und wirken schwer. Zusammen mit den geschwungenen Tür- und Fensterrahmen, ebenfalls aus Holz, den reich verzierten Decken und den grossen Portraitbildern in dicken Goldrahmen, wirken die Räume auf uns sehr alt, ehrwürdig und wichtig.

Das Gebäude ist sehr weitläufig und ohne Plan verliert man sich leicht in den vielen Gängen. Wir kommen an verschiedenen Büros, in denen Leute am Arbeiten sind, vorbei. Irgendwo steht eine Tür offen. Zögernd treten wir ein. Im Raum steht ein langer Tisch und eine Theke. Nebenan ist eine kleine Küche. Ein Mann erklärt uns, dass hier manchmal Apéros und Empfänge stattfinden.

Auch die Korridore rund um die mehrstöckige Rotunda unter der riesigen Kuppel sind sehenswert. Die Säulen, Torbögen, Geländer und Türrahmen sind reich verziert. Und auch den glänzenden Boden zieren Muster. Im untersten Stock, genau unter der Kuppel, sind im Boden die sechs Flaggen eingemacht, unter deren Herrschaft Texas einmal gestanden hat: die spanische, die französische, die mexikanische, die der Republik von Texas und der Konföderierten Staaten von Amerika und natürlich die der USA.

An den Wänden hängen Bilder von ehemaligen texanischen Gouverneuren und anderen wichtigen Politikern aus der Geschichte von Texas. Da darf natürlich das Bild von George W. Bush, Gouverneur von Texas 1995-2000, nicht fehlen. Lulu kann es nicht lassen mit dem heutigen Präsidenten zu posieren. Um dem «grossen Mann» etwas näher zu sein, steht sie auf eine Holzbank unter dem Portrait. Dazu hält sie den Kleber, den wir im Touristenbüro erhalten haben, hoch. Darauf steht treffend: «don‘t mess with Texas». Trotz dieser Blödelei werden wir auch bei diesem Foto in keiner Weise vom Peronal zurechtgewiesen. Die lockere Atmosphäre überrascht und gefällt gleichzeitig. (Anmerkug an alle, die nun Zweifel an meiner politischen Gesinnung haben: Ich bin kein Bush Anhänger :-)

Wir finden, dass sich der Besuch des Capitols unbedingt lohnt. Wo sonst hat man einen so einfachen Zugang zu einem wichtigen Regierungsgebäude?

 

Zu spät, zu früh − Als nächstes wollen wir uns das Gebiet um die Universität ansehen. Da wir in die Rush hour geraten, ist Markus Konzentration gefordert. Nanuq ist für diese Art von Stadtverkehr nicht geschaffen. Markus hat keine Chance reflexartig in eine sich plötzlich öffnende Lücke zu spurten. Ohne Erfolg auf der Suche nach einem freien Parkplatz kurven wir mehrmals um das Unigelände herum. Da wir wegen den vielen Einbahnstrassen jedes Mal eine weite Schleife fahren müssen, geben wir schliesslich auf.

Austin hat schliesslich noch mehr zu bieten. Unser nächstes Ziel ist die 6th Street. Austin bezeichnet sich selbst als die Hauptstadt der Live Musik, deren Zentrum sich hier an der 6th Street befindet. Restaurants, Bars, Nachtlokale und Gallerien reihen sich an der historischen Strasse aneinander. Als wir eintreffen, ist es verdächtig ruhig. Wir merken schnell, dass die Bars und Clubs erst viel später öffnen. Wir lassen uns nicht entmutigen und versuchen unser Glück in einem der Alamo Drafthouse Cinemas. Ähnlich wie im Bear Tooth Theatre Pub, welches wir in Anchorage, Alaska, besucht haben, gibt es auch in diesen Kinos die Möglichkeit während des Films zu essen und zu trinken. Zu diesem Zweck wurde jede zweite Sitzreihe entfernt und durch einen langen Tisch ersetzt. Die Almamo Drafthouse Cinemas sind bei Kennern angeblich Kult. Bekannt sind sie nebst dem Essen auch dafür, dass vor dem Film auf Werbung verzichtet wird und stattdessen während 45 Minuten Kurzfilme und alte schwarz-weiss Filmausschnitte, passend zum jeweiligen Hauptfilm, gezeigt werden. Nebst den normalen Filmabenden finden auch immer wieder spezielle Events statt. Auf uns macht das Kino einen ziemlich schrägen Eindruck. Und auch aus dem Programm, das uns eine Angestellte in die Hand drückt, werden wir nicht richtig schlau. Klar ist nur, dass wir auch hier zu früh erschienen sind. Im oberen Stockwerk ist noch die Putzequipe am Werk.

Als letzte Alternative für diesen Abend bleibt uns jetzt nur noch ein gutes Restaurant zu finden. Das uns von der gegenüberliegenden Strassenseite ein Neon-Schild mit dem Schriftzug «Spaghetti Warehouse» entgegenleuchtet, kommt darum nicht ungelegen. Das Warehouse (Lagerhalle) wird seinem Namen gerecht. Das Lokal ist riesig. Doch uns wird ein gemütlicher Tisch in einem alten Eisenbahnwagen, der mitten im Raum steht, zugewiesen. Obwohl hier keine Live Musik spielt geniessen wir den Abend und das Essen sehr.

 

Never change a winning team − Obwohl uns die Stadt gefällt, sind wir es müde einen weiteren Tag im dichten Verkehr und auf der Suche nach Parkplätzen zu verbringen. So verlassen wir Austin noch am selben Abend Richtung Süden. In San Marcos finden wir einen Wal Mart, wo wir übernachten können. Home sweet home :-)

 

«Notfall, Notfall, ...» − Der 27. Januar 2006 geht als einer der schwärzeren Tage in die Geschichte unserer Tour ein. Am Morgen sieht noch alles nach einem gemütlichen Shopping Tag aus. Im Tanger Outlet klappern wir die verschiedenen Boutiquen ab und probieren T-shirts, Pullis und Jeans... Dabei verrenkt sich Lulu jedoch so unglücklich den Hals, dass wir den Einkaufsbummel frühzeitig abbrechen müssen. Da Frau wissen will, wie die neue Jeans ihren Po aussehen lässt, dreht Lulu den Kopf über die Schulter, um in den Spiegel zu schauen. Sie kommt allerdings nicht mehr dazu den Look zu überprüfen. Augenblicklich fährt ihr ein stechender Schmerz in den Nacken und treibt ihr Tränen in die Augen. Nichts geht mehr. Jede kleinste Bewegung ruft krampfartige, brennende Schmerzen hervor. Mit weinerlicher Stimme ruft sie nach Markus, der in der Nebenkabine beschäftigt ist, er möge ihr doch bitte beim Aus- und Anziehen helfen. Doch Markus lässt sich Zeit. Er glaubt, Lulu ziehe wieder einmal eine ihrer Shownummern ab. Erst nach wiederholtem Flehen erkennt er den Ernst der Lage und kommt seiner Liebsten zu Hilfe. Gemeinsam in einer Kabine zieht er ihr die anprobierten Jeans aus, hilft ihr anschliessend wieder in die eigenen und bindet ihr zu guter Letzt die Schuhe. Lulu vermeidet es dabei tunlichst den Kopf auch nur einen Millimeter nach unten zu beugen, denn dafür wird sie jedes Mal bestraft. Jetzt hätte eigentlich nur noch gefehlt, dass wir im prüden Amerika wegen der gemeinsamen Benutzung einer Umkleidekabine verhaftet worden wären.

Langsamen Schrittes, mit zusammengebissen Zähnen und dem Kopf und Blick immer starr geradeaus gerichtet, verlässt Lulu den Laden, während weiterhin Tränen über ihre Wangen kullern. Markus holt den Wagen und fährt so nah wie möglich an den Laden heran. Er kann jedoch nicht verhindern, dass Lulu einen Randstein überwinden und anschliessend irgendwie in den relativ hohen Nanuq zu steigen. Nur weil Lulu verhindern will, dass Markus wie angedroht die Ambulanz ruft, bringt sie den Mut auf, den geforderten Schritt zu machen. Möglichst langsam und vorsichtig fährt Markus an. Trotzdem schreit Lulu bei Kurven und Bodenwellen mehrmals laut.

Für einmal sind wir bei der Suche nach einem Motel nicht sehr wählerisch. Bereits beim zweiten buchen wir ein Zimmer. An eine Nacht in Nanuq ist momentan nicht zu denken. Erleichtert, nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sein, sinkt Lulu vorsichtig aufs Bett. Dort verbringt sie auf dem Rücken liegend den Rest des Tages. Während Markus in den Waschsalon geht, bleibt Lulu zu Hause, ruht aus und schaut auf dem Fernsehsender TLC ihre geliebten Bausendungen. Irgendwo im Necessaire finden wir ein Müsterchen mit einer wärmenden Salbe gegen Zerrungen und andere Sportverletzungen. In der Hoffnung auf Linderung lässt sich Lulu die Paste auf den Nacken schmieren. Zusätzlich holt sie sich per Telefon Mutter’s Rat ein. Nach ihr ist die Behandlung mit einer wärmenden Salbe sicher nicht falsch. Falls es nicht besser wird, solle sie allerdings einen Arzt aufsuchen, so die besorgte Mutter. Ob sie wohl ahnt, dass Lulu den abschliessenden Rat nur im äussersten Notfall befolgen würde? Nachdem sich Lulu den ganzen Nachmittag still gehalten hat, fühlt sie sich am Abend bereits so weit genesen, dass sie Markus ins nahe gelgene Wendy’s begleitet. Sie merkt jedoch schnell, dass mit jeder falschen Bewegung die Schmerzen zurückkommen. Sie braucht ewig lange um die wenige hundert Meter lange Strecke zurückzulegen. Da haben wir uns beide ein feines Chili verdient. Im Fast Food Lokal erleben wir einen ungewöhnlichen Anblick. An einem Nebentisch verköstigt sich eine Gruppe von Nonnen.

 

21 − Den Abend verbringen wir wieder im Motelzimmer. Im TV schauen wir uns «the amazing race» an. In dieser Reality Show reisen Zweierteams im Wettkampf gegeneinander um die Welt. Dabei müssen sie auf jeder Etappe verschiedene Aufgaben erfüllen. Ziel ist es den nächsten Etappenort möglichst als erster zu erreichen, um in die nächste Runde zu kommen.

Auf einem anderen Kanal bringen sie einen spannenden Dokumentarfilm über eine Gruppe Studenten des Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT genannt, die dank einer ausgeklügelten Technik die Casinos von Las Vegas und weiteren Städten überlisten konnte. Edward Thorp hat bereits 1962 in seinem Buch eine Kartenzähltechnik vorgestellt, die es ermöglicht beim Black Jack zu gewinnen. Das Team der MIT hat die Formel weiterentwickelt und verfeinert. Entscheidend für ihren Erfolg war aber, dass die Spieler immer als Team auftraten, was allerdings nur für Eingeweihte erkennbar war. Ein paar Spieler und «Zuschauer» leisteten die Vorarbeit. Sie zählten die Karten und beobachteten das Mischen derselben. Erst dann kam der sogeannte Big Player ins Spiel. Mittels Zeichen und Codewörtern wusste dieser genau in welchem Moment und mit welchem Einsatz er ins Geschehen eingreifen musste. Bevor die MIT-Gruppe mit dieser Technik ihren Siegeszug an den Black Jack Tischen antreten konnte, war jedoch jahrelanges Training nötig. Voraussetzung um überhaupt in die Mannschaft aufgenommen zu werden, waren aussergewöhnliche mathematische Fähigkeiten, scharfe Augen und starke Nerven. Die Spieler agierten verkleidet und unter falschen Identitäten, verstiessen allerdings nie gegen das Strafgesetz. Das Team war wie eine Firma organisiert. Um Probleme mit der Steuerbehörde der USA zu vermeiden, gründeten sie Gesellschaften und zahlten Steuern. Investoren stellten das Kapital fürs Spielen zur Verfügung und strichen Ende Jahr dicke Renditen ein. In einem Buch, welches auf der Geschichte des MIT-Teams basiert, wird einer der Spieler folgendermassen zitiert: «Das Kartenzählen hat nichts mit Glücksspiel zu tun. In meinen fünf Jahren des Blackjack-Spielens hatte unser Team kein einziges Jahr mit Verlust gearbeitet. Tatsache ist, dass wir kein einziges Jahr hatten, in dem wir für unsere Investoren weniger als 30 Prozent Rendite erwirtschafteten. Finden Sie mal einen Börsenmakler, der das von sich behaupten kann!»

In den 90er Jahren war das Team auf fast 80 Spieler angewachsen und war in Casinos in der ganzen USA tätig. Sie erleichterten die Spielstätten um Millionen von Dollars. Klar, dass sich das die Casinos nicht gefallen lassen wollten, auch wenn das angewandte Kartenzählsystem nicht illegal ist. Mehrere Spieler wurden entlarvt und festgenommen. Doch dem MIT-Team gelang es immer wieder, diese durch neue Spieler zu ersetzen. Erst als den Fahndern auffiel, dass die aufgeflogenen Spieler alle mit dem MIT verbunden sind, kamen sie der Organisation auf die Schliche. Sie begriffen, dass eine Team am Werk sein musst. Beim MIT wusste man, dass die Tage des Teams gezählt sind. Im Dezember 1993 wurden die Gewinne an Investoren und Spieler ausbezahlt und das Team aufgelöst. Inzwischen wurde die Geschichte unter dem Namen «21» von Hollywood verfilmt.

 

Zweiter Anlauf − Am nächsten Morgen holt Markus in der Apotheke eine Salbe für Lulu’s Nacken. Dank dieser geht es Lulu am Nachmittag schon viel besser. Wir fahren ein zweites Mal in das Outlet Center. Lulu probiert aus Rücksicht auf ihre Verletzung keine weiteren Jeans oder T-shirts mehr, ersteht dafür aber ein Portemonnaie und Schuhe.

 

Hackbraten & Co. − Auf dem Parkplatz des Outlet Center befindet sich ein Restaurant, aus dem verlockende Düfte strömen. Somit ist die Entscheidung, wo wir unser Nachtessen einnehmen, gefallen. Wir betreten den Cracker Barrel über die mit Schaukelstühlen bestückte Veranda. Nach dem Eingang gelangt man als erstes in den Country Store, in welchem Konfitüren, Gebäcke, Kerzen, Seifen, Spiele und vieles mehr angeboten werden. Der heimelige Speisesaal befindet sich nebenan. Der Raum ist dekoriert mit nostalgischen Haushaltsgeräten, Werkzeugen und anderen Gebrauchsgegenständen. Das absolute Highlight ist jedoch das Essen. Lulu hat ein Fischfilet bestellt. Dieses wird jedoch durch Markus’ Hackbraten mit Kartoffelstock in den Schatten gestellt.

Da heute nichts Schlaues im TV läuft, lassen wir wieder einmal Jack Bauer ran ;-)